TBJ_2_2018_web - page 22

Fotos: shutterstock.com/PiconsMe, KWR
Großprojekte der öffentlichen Hand scheinen für Kosten- und
Terminüberschreitungen geradezu prädestiniert zu sein. Dabei müssten
bei Beachtung einiger Grundregeln auch umfangreiche Bauvorhaben
nicht zwangsläufig aus dem Ruder laufen.
A K T U E L L
TROCKENBAU
Journal 2 2018
22
W
arum kommen so viele Großpro-
jekte ins Trudeln? Es liegt ganz
einfach daran, dass deren Bauher-
ren einige einfache Grundprinzipien nicht
einhalten:
Überlege dir als Bauherr bereits bei der
Projektstrukturierung, welche personellen
Ressourcen dir zur Verfügung stehen.
Schreibe die Bauleistungen erst aus, wenn
die Planung weitgehend abgeschlossen ist.
Lasse nach der Ausschreibung möglichst
keine Leistungsänderungen mehr zu.
FALSCHE AUSWAHL
DES PROJEKTLEITERS
Auffällig ist, dass die größten Pleiten bei Pro-
jekten der öffentlichen Hand geschehen. Dies
hängt damit zusammen, dass die politisch Ver-
antwortlichen schon bei der Auswahl des Pro-
jektleiters versagen. Ein Großprojekt erfordert
einen Projektleiter mit viel Erfahrung. Statt-
dessen bestellen sie Mitarbeiter aus Bauabtei-
lungen, die noch nie ein komplexes großes
Langzeitprojekt gemanagt haben, oder poli-
tisch sozialisierte Personen oder Manager ohne
spezifische Bauerfahrung zu Projektleitern.
FALSCHE STRUKTURIERUNG
DES PROJEKTS
Ein weiterer verbreiteter Fehler ist die falsche
Strukturierung des Projekts. Sowohl für die
Planungsleistungen als auch für die Bauleis-
tungen ist vom Bauherrn zu entscheiden, ob er
die Leistungen bündeln oder einzeln vergeben
will. Für die Planung hat der Bau-
herr die Möglichkeit, einen Gene-
ralplaner zu bestellen oder die
Architekturplanung, die Haustech-
nikplanung und die Sonderfachleute
einzeln zu beauftragen. Für
die Bauleistungen stellt
sich für den Bauherrn
die Frage, ob er einen
Generalunternehmer
bestellen oder die Gewer-
ke einzeln vergeben soll.
Schließlich muss er noch ent-
scheiden, ob er Planung und örtliche Bauauf-
sicht trennt.
Oft neigen Bauherren zur Überschätzung
der Fähigkeiten eigener Mitarbeiter und
entscheiden sich für die Einzelvergabe der
Leistungen. Die Erfahrung zeigt, dass gerade
die öffentliche Hand bei Großprojekten gut
beraten wäre, die Leistungen bei einem Gene-
ralplaner und einem Generalunternehmer
oder einem Totalunternehmer zu bündeln.
Heikel ist auch die Änderung der Projekt-
struktur während der Ausführung des Projekts.
Dies kann bei öffentlichen Auftraggebern auch
zu vergaberechtlichen Problemen führen.
Mitunter entscheiden sich Auftraggeber, Pla-
nung und örtliche Bauaufsicht in eine Hand zu
legen. Auch wenn diese Frage unter Fachleuten
ein „Glaubenskrieg“ ist, kann nicht wegdisku-
tiert werden, dass ein „schwacher Bauherr“
(damit ist ein Bauherr gemeint, der möglichst
alle Leistungen auslagert) als Letzter erfährt, dass
Warum werden
so viele Großprojekte
an die Wand gefahren?
Prinzipien bei Großprojekten
der öffentlichen Hand
der Planer erhebliche Planungsver-
züge oder eine unzureichende Pla-
nung zu verantworten hat. Dann ist
es für ein Eingreifen zu spät.
AUSSCHREIBEN ERST NACH
ABGESCHLOSSENER PLANUNG
Der größte Kostentreiber sind Ausschrei-
bungen vor Abschluss der Planung. Wenn
Auftraggeber lediglich auf Basis der Ent-
wurfsplanung ausschreiben, bedeutet das,
dass ungefähr 70 Prozent der Planungsleistun-
gen noch nicht erbracht sind. Auftragge-
ber, die so handeln, dürfen sich
nicht wundern, dass die ausfüh-
renden Firmen Nachtragsangebo-
te legen und es zu Kostenexplosi-
onen kommt.
Wird die Detailplanung erst wäh-
rend der Bauausführung ausgearbeitet, führt
dies meist zum Streit, ob die vom Planer im
Ausführungsplan dargestellten Leistungen eine
mehrkostenpflichtige Leistungsänderung sind.
Als grobe Leitlinie kann, obwohl im Einzelfall
geprüft werden muss, die Faustformel gelten,
dass eine Leistungsänderung dann vorliegt,
wenn durch die Ausführungsplanung auch der
vorangehende Planungsschritt, die Entwurfs-
planung, wieder „aufgemacht“ werden muss.
TERMINTERROR
Kürzlich hat der Doyen des Planungswesens,
Architekt Hans Lechner, in einem Interview
mit „bau aktuell“ die Situation der Planer am
1...,12,13,14,15,16,17,18,19,20,21 23,24,25,26,27,28,29,30,31,32,...64
Powered by FlippingBook