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Fotos: Thomas Max
und überlegt: Warum sollen wir nicht gemein-
sam arbeiten? Es war kein großer Plan dahinter,
sondern eher ein Sprung ins kalte Wasser.
Gerd Erhartt:
Wir hatten zu Beginn keine
gemeinsamen Projekte und sind von Null wegge-
startet. Die ersten Bauvorhaben waren auch ganz
klein und überwiegend in der Kreativbranche
angesiedelt. Das Angenehme war hier, dass man
auch für unkonventionelle Lösungen offen war.
TBJ:
Welchen Rat würden Sie jungen
Architekten, die mitten in ihrem Studium
stecken, geben?
Peter Sapp:
Man muss Lust und Freude an
der Architektur haben – nur wenn es einen
begeistert, zu gestalten und zu entwicklen, soll-
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und die Anforderung dann ist: „Du musst in
den letzten 3 Jahren ein Bürogeäbude mit min-
destens 10.000 m² realisiert haben“, dann trifft
es mitunter auch sehr gute, erfahrene und arri-
vierte Büros. Das ist einfach unüberlegt.
TBJ:
Was kann man sich erwarten, wenn
man einen Auftrag an querkraft vergibt?
Peter Sapp:
Das Echo, das wir immer wieder
bekommen ist, dass wir eine große Empathie
an den Tag legen. Wir versuchen, den Auftrag-
geber zu verstehen. Wir werden nicht müde,
die Aufgabe bis zum Schluss zu verbessern.
Wir lieben auch den Prozess des gemeinsamen
Optimierens. Wenn die Chemie stimmt, dann
kann man ganz weit kommen. Das ist unser
Markenzeichen.
Gerd Erhartt:
Herzblut. Wir sind aber nicht
reine Erfüllungsgehilfen. Architektur hat auch
einen gesellschaftlichen Stellenwert, und es
geht nicht nur darum, Auftraggeberinteressen
zu befriedigen. Man muss auch nicht jeden
Auftrag übernehmen – wir nehmen an vielen
Wettbewerben nicht teil, weil wir die Aufga-
benstellung als nicht richtig empfinden oder
weil die Rahmenbedingungen unfair sind.
TBJ:
Für das Unternehmen HOERBIGER
GmbH haben Sie in der Seestadt Aspern
ein neues Headquarter entworfen. An die-
sem neuen Wiener Standort sind For-
schung & Entwicklung, Vertrieb und Pro-
duktion auf ca. 24.000 m² vereint. Wo lagen
bei diesem Projekt in der Ausführung die
Besonderheiten?
Gerd Erhartt:
Ein ganz wichtiger Beweggrund
war, den Unterschied zwischen blue colour
und white colour workers in der Architektur
aufzulösen. Es hat auch nach der Besiedlung
eine intensive Befragung der Mitarbeiter via
Mail gegeben – jeder konnte direkt seine Wün-
sche und Anliegen vorbringen. Jedes Thema
wurde dann einzeln von uns Architekten be-
A K T U E L L
TROCKENBAU
Journal 2 2018
te man es machen. Denn man hat kein einfa-
ches, aber ein sehr spannendes und abwechs-
lungsreiches Berufsleben vor sich – das erfor-
dert viel Enthusiasmus. Das heißt aber nicht,
dass man sich selbst ausbeuten und im Büro
leben muss – wir haben versucht, es anders zu
leben und glauben, dass es möglich ist.
Gerd Erhartt:
Ich glaube, dass der Vorwurf:
„Die Jungen lernen einfach nichts mehr“ eine
Alterserscheinung ist. Jede Generation behaup-
tet das von der jüngeren – das finde ich nicht
gerechtfertigt. Wir haben damals auch gegen
die etablierten Architekten angekämpft – jede
Generation muss erst ihren Platz im Berufsle-
ben finden.
Peter Sapp:
Man kämpft ja nicht gegen die
etablierten Kollegen, weil man gegen ihre Archi-
tektur ist. Es ging eher darum, auch Zugänge auf
denMarkt zu finden und Projekte zu entwickeln.
TBJ:
Um große Aufträge zu bekommen,
muss man Wettbewerbe gewinnen – doch
diese haben oft strenge Zugangsbeschrän-
kungen. Finden Sie diese gerechtfertigt?
Gerd Erhartt:
Wir sind als Architekten daran
gewöhnt und interessiert, uns neuen Aufgaben
zu stellen. In den Bewerbungsverfahren wird
aber oft verlangt, dass man genau diese Aufgabe
schon einmal gelöst hat. Das ist unserer Mei-
nung nach vollkommen unsinnig. Teilweise
sind die besten Projekte der Welt, wie beispiels-
weise das Centre Pompidou, von ganz jungen
Architekten ohne große Erfahrung entstanden.
Diese Zugangsbeschränkungen zielen nur auf
eine größtmögliche Sicherheit für den Auftrag-
geber ab – aber so kann man weder die Gesell-
schaft noch Architektur weiterentwickeln.
Peter Sapp:
Wenn man sich zum Beispiel für
einenWettbewerb um ein Bürogebäude bewirbt
Wir wollen den Menschen nicht
determinieren oder in ein Verhaltens-
muster zwängen und wir wollen ihn mit
der Architektur nicht einschüchtern.
Gerd Erhartt
KLISCHEE.
Gerd Erhartt findet den
anscheinend nie abklingenden Vorwurf
an die junge Generation, nichts mehr
zu lernen, ungerechtfertigt.
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