70
DEUTSCHE
HEBAMMEN
ZEITSCHRIFT 12/2015
Politik & Gesellschaft
S
o viel scheint sich in den vergange-
nen Jahren für Frauen und Mütter
verbessert zu haben, die Beruf und
Familie vereinbaren wollen: Elterngeld,
Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz und
die Rückkehrmöglichkeit nach der Eltern-
zeit in den Betrieb. Und doch scheinen die
Anreize nicht ausreichend. Die jungen
Frauen sind unzufrieden. Und die Gebur-
tenraten in Deutschland steigen nicht
wirklich. Viele junge Mütter fühlen sich
mit Beruf, Kind(ern) und Haushalt über-
lastet. In ihrer Orientierung auf einen
Beruf hin unterscheiden sich junge Frau-
en kaum noch von jungen Männern. Wir
haben heute die am besten ausgebildete
Frauengeneration. Bei den schulischen Ab-
schlüssen haben die Mädchen die Jungen
seit Jahren überholt. Und doch weist der
Arbeitsmarkt eine berufliche Spaltung
aus.
Dabei scheinen junge Frauen zu
Beginn ihrer Ausbildung die Karriere
nicht als Gegensatz zur Mutterschaft
zu denken. Prof. Jutta Allmendinger
vom Wissenschaftszentrum Berlin für
Sozialforschung (WZB) hat zusammen
mit ihremTeamuntersucht, wie sich die
Lebensentwürfe von Frauen und Män-
nern zwischen 2007 und 2012 verändert
haben (Allmendinger 2013). Demnach
ist heute der Wunsch der Frauen nach
Erwerbstätigkeit nahezu selbstverständ-
lich. Für 91 Prozent der befragten Frau-
en sind Erwerbsarbeit und finanzielle
Unabhängigkeit sehr wichtig und die
meisten wollen auch nach der Famili-
engründung nicht aufhören zu arbeiten.
93 Prozent der Frauen wünschen sich
Nachwuchs.
Doch kaum ist ein Kind da, scheinen
familiäre und berufliche Träume gleich-
zeitig nicht mehr möglich zu sein. Per
Gesetz besteht die Gleichheit von Män-
nern und Frauen. Doch die Qualität der
Arbeit sowie die Arbeits- und Karrierebe-
dingungen für Frauen und Männer sind
weiterhin ungleich. Sie entwickeln sich
Foto: © Colourbox
„Entgrenzte Arbeit“ wird bei Frauen und
insbesondere bei Müttern zunehmend zur
Normalität.
Familie und Beruf
Zwickmühle
Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, gibt es in Deutschland Elterngeld, den
Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz und die Rückkehrmöglichkeit in den Betrieb nach der Elternzeit.
Doch Studien belegen, dass erwerbstätige Mütter immer noch zerrieben werden zwischen den Anforderungen
des Arbeitsmarktes und der Fürsorgearbeit. Zunehmend arbeiten sie in prekären Beschäftigungsverhältnissen,
die bei geringen Arbeitszeiten größtmögliche Verfügbarkeit verlangen.
> Carola Bury